Radolfzell am Bodensee

Auf Entdeckungstour in Radolfzell am Bodensee

[Update 05.03.2024] Fragt man nach den wichtigsten Orten, die man am Bodensee gesehen haben muss, dann werden vermutlich die wenigsten Menschen Radolfzell am Bodensee nennen. Und sicher, Radolfzell ist längst nicht so groß wie Konstanz, es gibt hier keine uralte Burg wie in Meersburg und es ist auch nicht UNESCO-Weltkulturerbe, wie die direkt gegenüber von Radolfzell liegende Klosterinsel Reichenau. Trotzdem muss sich Radolfzell überhaupt nicht verstecken: Die Stadt hat eine wunderschöne Altstadt mit fantastischen Häusern und alten Gassen. Sie hat ein eindrucksvolles Münster und eine spannende Stadtgeschichte. Außerdem ist die Halbinsel Mettnau mit dem Park und dem Scheffelschlösschen einfach traumhaft. Ich habe mir Radolfzell im Januar nochmal genauer angeschaut und war wieder begeistert.

 

Es war eine überaus schöne Stelle, vom Kloster Reichenau 2 Meilen entfernt, jenseits des Sees gegen Nordwesten, mit Fischerhütten besetzt, sonst aber zu keinem Anbau geeignet. Diesen Platz begann Ratoldus herrichten zu lassen, mit Häusern sowie mit einer Kirche zur Ehre Gottes zu bebauen und diese Zellenanlagen mit seinem Namen zu benennen, wie es bis heute der Fall ist.

Aus einer Reichenauer Chronik

Die Gründung der “Cella Ratoldi” um 826 war der Beginn der heutigen Stadt Radolfzell am Nordwestende des Untersees. Ratoldus – auch Radolf, Radold oder Radolt genannt – wurde höchstwahrscheinlich auf der Reichenau erzogen und war später Bischof von Verona. Wie schon Bischof Egino, sein Vorgänger auf dem Veroneser Bischofstuhl, wollte auch Radolf einen Altersruhesitz auf der Insel Reichenau haben. Dieser wurde ihm zwar auf der Insel nicht zugestanden, aber er bekam einen Platz auf Reichenauer Gebiet zugewiesen und zwar dort, wo sich heute die Altstadt von Radolfzell befindet. Radolf baute eine Kirche und einige Häuser und ließ sich um 840 auf seiner “Cella Ratoldi” nieder, wo er 845 oder 846 verstarb.

Radolfzell im Mittelalter

Radolf Statue von Siegfried Fricker

Um 1100 erhielt Radolfzell das Marktrecht und 1267 bekam die Stadt das Stadtrecht verliehen. Das im frühen Mittelalter so bedeutende Kloster Reichenau verlor jedoch ab dem späten 11. Jahrhundert an Bedeutung, geriet immer wieder in finanzielle Nöte und verlor seine Privilegien an den Bischof von Konstanz. Bischof Heinrich von Klingenberg verkaufte schließlich in den Jahren 1298/99 die Vogtei über die Stadt Radolfzell und die umliegenden Gemeinden an das Haus Habsburg. Während des Konstanzer Konzils (1414-1418) erlangte Radolfzell den Status einer Freien Reichstadt. Allerdings nur für kurze Zeit, denn bereits 1454 wurde die Stadt wieder habsburgisch.

Wohlstand, Reformationszeit und Dreißigjähriger Krieg

Obwohl Radolfzell nun wieder eine österreichische Landstadt war, erhielt die Stadt auch in der Folgezeit wichtige Privilegien: In der Mitte des 15. Jahrhunderts die hohe Gerichtsbarkeit und durch Kaiser Maximilian I. im frühen 16. Jahrhundert ein eigenes Strafgesetzbuch.

Während sich Konstanz und andere Städte in der Region in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts der Reformation angeschlossen hatten, blieb Radolfzell kaisertreu und katholisch. Die Stadt beherbergte in dieser Zeit etliche Kleriker sowie katholischen Adel und gewann damit an Reichtum. Auch der Getreide- und Weinhandel trugen zum Wohlstand der Stadt bei. Im Dreißigjährigen Krieg jedoch verlor Radolfzell ungefähr die Hälfte seiner Einwohner und nach dem Krieg lebten nur noch ca. 400 Menschen in der Stadt.

Radolfzell am Bodensee seit dem Frieden von Pressburg

Im Frieden von Pressburg 1805 musste das Habsburgerreich unter anderem auf Vorderösterreich verzichten und Radolfzell kam 1806 zum Königreich Württemberg und durch einen Tauschhandel 1810 schließlich zum Großherzogtum Baden. Während Radolfzell bis dahin überwiegend landwirtschaftlich geprägt war, eröffneten sich durch den Anschluss an das Eisenbahnnetz 1863 neue Wirtschaftszweige und Firmen wie Schiesser und Allweiler ließen sich in Radolfzell nieder. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts wuchs auch die Bedeutung des Tourismus.

Bummel durch die Altstadt

Bei einem Bummel durch die Altstadt von Radolfzell am Bodensee könnt ihr neben unzähligen Cafés und schönen Läden auch viele geschichtsträchtige Bauwerke entdecken, von denen ich euch einige vorstellen möchte.

Münster Unserer Lieben Frau

Das dominierende und höchste Bauwerk in der Altstadt ist das spätgotische Münster Unserer Lieben Frau. Der heutige Münsterturm wurde Anfang des 20. Jahrhunderts erbaut und ist mit 82 m Höhe der höchste Kirchturm am Bodensee. Das Münster hat eine sehenswerte Innenausstattung (u. a. eine Kreuzigungsgruppe des Bildhauers Hans Schenck) und beherbergt die Reliquien der drei Radolfzeller Stadtpatrone. Die Gebeine der Märtyrer Theopont und Senesius hat bereits Radolf hierher gebracht. Später kam noch eine Reliquie des heiligen Zeno hinzu, der wie Radolf Bischof von Verona gewesen war. Die drei Stadtpatrone werden in Radolfzell Hausherren genannt und jedes Jahr am 3. Sonntag im Juli feiern die Radolfzeller das Hausherrenfest.

Adresse und Öffnungszeiten: Marktplatz 4, 78315 Radolfzell. Das Münster kann tagsüber besichtigt werden.

Das Heilig-Geist-Spital

Das Heilig-Geist-Spital wurde 1343 erstmals erwähnt und im Laufe der Zeit immer weiter vergrößert. Nach einem großen Brand in der Mitte des 16. Jahrhunderts entstand dann der heutige Hauptbau. Noch heute dient das Heilig-Geist-Spital als Altersheim und Pflegestation.

Adresse: Poststraße 15, 78315 Radolfzell

Rathaus

1847 wurde das alte Radolfzeller Rathaus abgerissen und durch einen Neubau an der selben Stelle ersetzt. Es diente auch als Kornhaus, was noch heute an den großen Toren des Gebäudes zu sehen ist. Seit 2012 befindet sich am Rathaus das Radolfzeller Glockenspiel, das durch eine Spendenaktion finanziert wurde und mehrmals am Tag das Badenerlied und das Hausherrenlied spielt.

Adresse: Martkplatz 2, 78315 Radolfzell
Das Glockenspiel ist täglich um 10.05,12.10, 15.05 und 20.05 zu hören.

Ritterschaftshaus

Das Ritterschaftshaus, ein Renaissance- und Barockbau, befand sich bis Anfang des 17. Jahrhunderts im Besitz der Familie von Schellenberg und wurde dann der Rittergesellschaft zum St. Jörgenschild zur Nutzung überlassen. 1806 wurde das Gebäude verstaatlicht und beherbergt heute das Amtsgericht.

Adresse: Seetorstraße 5, 78315 Radolfzell

Österreichisches Schlösschen

1620 ließ der Radolfzeller Rat das Neue Haus am Hof bauen, das heute Österreichisches Schlösschen genannt wird. Am Eingangsportal des Renaissancebaus sind das Radolfzeller Wappen und das Wappen der niederösterreichischen Lande zu sehen. Über dem Portal könnt ihr zwei habsburgische Löwen und das österreichische Wappen sehen. Welche Zweck die Stadt mit dem Bau verfolgte ist nicht ganz klar, jedenfalls hat es bis 1735 gedauert, bis das Gebäude fertiggestellt war. Seither waren hier verschiedene städtische Einrichtungen untergebracht und heute ist im Österreichischen Schlösschen die Stadtbibliothek.

Adresse: Marktplatz 8, 78315 Radolfzell

Alte Stadtapotheke und Stadtmuseum

1689 wurde in dem Gebäude, dessen Fundamente aus dem 14. und 15. Jahrhundert stammen, eine Apotheke eröffnet, die es bis 1998 gab. Besonders schön finde ich den Seitenerker mit den Malereien. Seit 2006 ist in dem Haus das Stadtmuseum untergebracht. Das Museum gibt Einblick in die Geschichte der Apotheke und zeigt außerdem die Radolfzeller Stadtgeschichte. Zudem finden sich hier auch Objekte des Schriftstellers Joseph Victor von Scheffel. Das Museum präsentiert regelmäßig Sonderausstellungen.

Adresse, Öffnungszeiten und Preise: Seetorstraße 3, 78315 Radolfzell. Das Museum hat Do-So von 11.00 bis 17.00 geöffnet. Der Eintritt (ohne Ermäßigung) beträgt für Erwachsene 6 EUR.

Griener Winkel und Villa Windschief

Im “Grienen Winkel”, der im Osten der Altstadt liegt, könnt ihr noch Häuser der alten Fischer- und Bauernsiedlung sehen. Zum Beispiel die “Villa Windschief”, die ihren Namen von ihrer leichten Schräglage hat. In den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts drohte der Villa der Abriss, der aber verhindert werden konnte. Heute wird das Gebäude als Restaurant einer Seniorenwohnanlage genutzt.

Adresse: Seestraße 2, 78315 Radolfzell

Rund um die Altstadt

Jahr100Bau und Lenk Relief

Auf der seemeile zwischen der Altstadt und dem Factory Outlet Center Seemaxx könnt ihr den Jahr100Bau finden. Das Gebäude wurde um 1900 erbaut und beherbergte früher die mechanische Fertigung der Wäsche-Firma Schiesser. Heute haben dort verschiedene Arztpraxen ihren Sitz. Schräg gegenüber des Jahr100Baus könnt ihr Peter Lenks Relief Kampf um Europa sehen.

Adresse: St. Johannisstraße , 78315 Radolfzell

Kapuzinerkloster St. Georg

Vor den Toren der Stadt, auf der Wiese vor dem Obertor, gründete der Kapuzinerorden im ersten Drittel des 17. Jahrhunderts ein kleines Kloster. Nach einer wechselvollen Geschichte wurde das Kloster 1826 aufgrund von Nachwuchsmangel aufgelöst. Die Kirche wurde abgerissen und das Konventsgebäude zu einem Wohnhaus umgebaut. Seit 2008 ist hier das Weltkloster Radolfzell.

Adresse: Obertorstraße 10, 78315 Radolfzell

Villa Wolf

Die Villa Wolf wurde in den Jahren 1910/1911 in bester Seelage für Karl Wolf und seine Frau Emilie erbaut. Karl Wolf war Generaldirektor der Pumpenfabrik Gotthard Allweiler AG (heute ALLWEILER GmbH) und ist Ehrenbürger der Stadt Radolfzell am Bodensee. Nach dem 2. Weltkrieg war in der Seevilla das französische Offizierskasino untergebracht und noch heute befindet sich das Anwesen in Familienbesitz. Die Villa Wolf war auch schon Drehort für einen „Tatort“ und für die Serie „WaPo Bodensee“.

Adresse: Scheffelstr. 12, 78315 Radolfzell

Stadtbefestigung und Stadtgarten

Nachdem Radolfzell 1267 das Stadtrecht erlangt hatte, begann man die Stadt mit einer Ringmauer und einem Graben zu umgeben. Im Laufe der Zeit wurde die Stadtbefestigung immer wieder erweitert. Heute stehen noch drei der ehemaligen Stadttürme: Der Höllturm, der Schützentorturm und der Pulverturm.

Der Radolfzeller Stadtgarten befindet sich im ehemaligen Stadtgraben und wurde 1924 angelegt. Hier findet ihr den Pulverturm, den Höllturm und Überreste der Stadtmauern. Im Frühjahr und Sommer ist auch die wunderschöne Bepflanzung einen Besuch wert.

Bodenseeufer und Bodenseehalbinsel Mettnau

Vom Radolfzeller Hafen gibt es von Frühjahr bis in den Herbst verschiedene Schiffsverbindungen auf dem Untersee und dem Rhein. Außerdem könnt ihr am Bodenseeufer entlang wunderschöne Spaziergänge machen. Zum Beispiel vorbei an der Hafenmole und dem Konzertsegel in Richtung Mettnau. An der Hafenmole könnt ihr das Kunstwerk El Nino anschauen. Die Skulptur wurde von dem Bildhauer Ubbo Enninga geschaffen und steht hier seit 1997. Man kann die Statue aus Zinn gut zur Messung der Wasserhöhe benutzen: Je weniger von ihr zu sehen ist, desto höher der Wasserspiegel.

Adresse: Karl-Wolf-Straße, 78315 Radolfzell

Naturschutzgebiet Mettnau und Mettnaupark

Östlich von Radolfzell liegt die Mettnau. Ein großer Teil der Halbinsel steht unter Naturschutz und ihr könnt hier von verschiedenen Beobachtungspunkten (z. B. vom Mettnau-Turm) bedrohte Tier- und Pflanzenarten sehen. Der wunderschöne Mettnaupark lädt zum Spazierengehen ein. Auf der Mettnau befinden sich auch seit Ende der 1950er Jahre die medizinischen Reha-Einrichtungen der Stadt Radolfzell.

Urkundenhäuschen

Mitten im Mettnaupark steht das Urkundenhäuschen. Seit ca. 1876 stand das kleine Häuschen vor dem Obertor, wo die großen Vieh- und Getreidemärkte abgehalten wurden. Im Urkundenhäuschen wurden die Kaufverträge während der Märkte abgeschlossen und es diente den Stadtzöllnern auch als Aufenthaltsort. 1906 wurde es dann auf die Mettnau versetzt und vor wenigen Jahren saniert.

Das Scheffelschlösschen

“Kläng nicht Windharfengetön aus der Höh‘⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀
Wie Erlösung von irdischen Nöten,⠀⠀⠀⠀⠀⠀
Ich spräche: Der Teufel hol dich, o See,⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀
Du Pfütze voll Schlangen und Kröten.”⠀⠀⠀⠀

Joseph Victor von Scheffel

So dichtete 1880 der Schriftsteller Joseph Victor von Scheffel (1826-1886), der seit einigen Jahren im Besitz eines Anwesens auf der Bodenseehalbinsel Mettnau war. 1876 hatte der Dichter das „Mettnaugut“ erworben und es sich im Stil der Neorenaissance zu einem Schlösschen umbauen lassen. Auf der beschaulichen Mettnau hoffte der zu dieser Zeit sehr beliebte Dichter Ruhe zu finden. Ruhe fand er dort jedoch wenig, da viele Menschen ihn sehen und mit ihm sprechen wollten. Außerdem lag er im Streit mit den Reichenauer Fischern, die bei Hochwasser auf seinem überschwemmten Grundstück Fische fingen. Scheffel versuchte sogar sie mit dem Gewehr zu verjagen. Das führte allerdings nur dazu, dass die Fischer ihn wegen versuchter Tötung anzeigten. Heute ist im Scheffelschlösschen die Kurverwaltung der Mettnau untergebracht.

Adresse: Strandbadstr. 106, 78315 Radolfzell am Bodensee

 

Zum Weiterlesen

Michael Greuter (Hrsg.): Radolfzell. Stadt mit Tradition und Zukunft, Singen 2003.
Stadt Radolfzell am Bodensee (Hrsg.): Radolfzell am Bodensee. Die Chronik, Konstanz 2017.
⠀⠀
Über das Scheffelschlösschen:
Tobias Engelsing, Anne Katrin Reene: Schlösser am See. Burgen und Landsitze am westlichen Bodensee, Konstanz 2012.⠀⠀⠀ ⠀⠀⠀

Zeittafel Radolfzell am Bodensee

Und? Gefallen euch Radolfzell am Bodensee und die Mettnau so gut wie mir? Ich freue mich über eure Kommentare.

Schön Städte am Bodensee
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