Im Sommer 2022 ist das Buch Sommerfrische – Kulturgeschichten aus vergangenen Tagen erschienen. In diesem wundervollen Sammelband aus dem Leiermann-Verlag gibt es auch einen Beitrag von mir zum Thema Sommerfrische am Bodensee. Im heutigen Blogartikel könnt ihr den zweiten Teil meines Beitrags lesen. Den ersten Teil findet ihr hier: Friedrichshafen als Sommerresidenz der württembergischen Könige, und am Ende des Artikels findet ihr auch weitere Infos zum Buch.
Im Überlingersee, dem nordwestlichen Teil des Bodensees, liegt die heute als Blumeninsel bekannte Mainau. Nachdem die Insel viele Jahrhunderte lang dem Deutschen Orden gehört hatte, gelangte sie nach dem Frieden von Pressburg im Dezember 1805 in den Besitz des Großherzogtums Baden. Doch Großherzog Karl Friedrich (1728-1811) zeigte wenig Interesse an seinem neuen Besitz und auch seine Nachfolger kümmerte die kleine Insel im Bodensee wenig. 1827 verkaufte Großherzog Ludwig (1763-1830) die Mainau schließlich an den ungarischen Fürsten Nikolaus II. Esterházy de Galantha (1765-1833). Nach weiteren Besitzerwechseln in den nächsten beiden Jahrzehnten kam die Insel dann wieder zurück in badischen Besitz: 1853 erwarb Großherzog Friedrich I. die Mainau. Mit seiner Frau Luise von Preußen, der einzigen Tochter des späteren Kaisers Wilhelm I. (1797-1888), verbrachte er bereits 1856 seine Flitterwochen auf der Mainau und die Insel diente der großherzoglichen Familie zukünftig als Sommerresidenz.
Die Mainau bekommt ein Arboretum und einen Rosengarten
Der Deutsche Orden hatte sich in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts auf der Mainau von Ordensbaumeister Johann Caspar Bagnato (1696-1757) eine neue Kirche und ein repräsentatives Barockschloss nach französischem Vorbild erbauen lassen. Außerdem hatte Fürst Esterházy in den wenigen Jahren, die ihm die Mainau gehörte, begonnen, die Insel mit exotischen Gewächsen zu bepflanzen. Trotzdem fand Großherzog Friedrich I. die Insel ziemlich verwildert und unansehnlich vor und begann deshalb, sie nach seinen Vorstellungen zu gestalten: Er ließ Mauern am Ufer errichten, um die Insel vor den Wellen zu schützen, Straßen und Wege bauen und einen Park anlegen. Für die Bepflanzung der Parkanlagen stellte der botanisch interessierte und versierte Großherzog einen eigenen Hofgärtner an. Friedrich erwarb auf seinen Reisen Orangenbäume in Italien, Rosen in Frankreich und Palmen in Nizza, die er auf die Mainau transportieren ließ. Auch aus Karlsruhe und von vielen anderen Orten ließ er Pflanzen auf seine Insel bringen. Es entstand ein Arboretum mit seltenen und exotischen Bäumen, südlich des Schlosses wurde der italienische Rosengarten mit Pergolen, Skulpturen und Brunnen angelegt, und die ersten Zitrusgewächse fanden ihren Weg auf die Insel.
Sommerfrische am Bodensee
Jedes Jahr verbrachte die großherzogliche Familie die Sommermonate auf der Mainau. Anfänglich musste die Reise von Karlsruhe an den Bodensee noch mit der Kutsche bewältigt werden, später konnte die Strecke deutlich bequemer mit dem Zug zurückgelegt werden. Weilte der Großherzog auf der Mainau, fanden dort Empfänge und Diners statt, zu denen regelmäßig der lokale Adel und Verwandte eingeladen wurden. Auch Kaiser Wilhelm I. und Kaiserin Augusta (1811-1890) verbrachten nach der Reichsgründung einige Sommerurlaube auf der Mainau bei Tochter, Schwiegersohn und den Enkelkindern. Man unternahm gemeinsame Schiffsausflüge beispielsweise nach Friedrichshafen, um dort den König und die Königin von Württemberg in ihrer Sommerresidenz zu besuchen oder in den Schweizer Teil des Bodensees nach Schloss Arenenberg, das der französischen Ex-Kaiserin Eugénie gehörte. Das ehemalige Kloster Salem und Schloss Kirchberg befanden sich ebenfalls im Besitz des Hauses Baden und wurden von Familienmitgliedern als Sommerresidenz oder auch als dauerhafter Wohnort genutzt.
Arbeit im Grünen
Doch die alljährliche Zeit auf der Mainau diente dem Großherzog nicht nur zur Erholung, sondern er ging hier auch seinen Regierungsgeschäften nach, empfing seine Berater, Bittsteller und andere Gäste. So besuchte ihn beispielsweise Theodor Herzl (1860-1904), der Begründer des politischen Zionismus, 1898 auf der Mainau, um mit ihm über die Möglichkeiten der Gründung eines jüdischen Staates in Palästina zu sprechen. Außerdem hielt Friedrich auch in seiner Sommerresidenz eine regelmäßige Sprechstunde ab, bei der auch einfache Bürger vorstellig werden konnten.
Konstanz und die großherzogliche Familie
Die jährlichen Sommeraufenthalte der großherzoglichen Familie auf der Mainau hatten auch Einfluss auf die nur wenige Kilometer entfernte Stadt Konstanz: Die Zeitungen berichteten regelmäßig über die Aufenthalte des Großherzogs auf der Mainau, über die Gäste, die in dieser Zeit die Insel besuchten und über das höfische Leben am See. Die Konstanzer Geschäftsleute bemühten sich um eine Auszeichnung als Hoflieferanten und allgemein herrschte ein reges Interesse an den Aktivitäten der “hohen Herrschaften”. Es ist also nicht verwunderlich, dass Konstanz 1906 – im Jahr seiner 100-jährigen Zugehörigkeit zu Baden – große Feierlichkeiten für den 80. Geburtstag des Großherzogs und seine Goldene Hochzeit plante. Neben der Stadtverwaltung beteiligten sich auch verschiedene Vereine und Bürger an den Planungen. So veranstaltete beispielsweise der Konstanzer Militärverein wie jedes Jahr zum Geburtstag des Großherzogs ein Jubiläumsschießen und der Leiter der Musikschule entwarf ein Huldigungsgedicht.
Der 80. Geburtstag
Am 7. September, zwei Tage vor Friedrichs Geburtstag, fand eine groß angelegte Feier statt, an der sich auch andere Bodenseegemeinden beteiligten. Drei Dampfschiffe fuhren am Abend von Konstanz aus zur Mainau. Unter den mehr als 1600 Personen auf den Schiffen war neben der Stadtverwaltung, Konstanzer Bürgerinnen und Bürger sowie den Musik- und Gesangsvereinen auch eine extra für die Feierlichkeit aus New York angereiste Delegation des Badischen Volksfestvereins. Das Seeufer war beleuchtet und Hunderte von Fischerbooten illuminierten mit Feuern zusätzlich das Ufer und den See. Das großherzogliche Paar beobachtete das Schauspiel vom Balkon des Schlosses aus. Vom Schiff hielt Oberbürgermeister Franz Weber (1850-1916) eine Gratulationsrede, in welcher er auch den Wunsch äußerte, dass das großherzogliche Paar noch oft an den Bodensee kommen möge. Mit Musik und einem Feuerwerk endete die Feierlichkeit und die Schiffe kehrten zurück in den Konstanzer Hafen. Wenige Tage später stand bereits das nächste Fest an. Zur Feier der Goldenen Hochzeit von Friedrich und Luise veranstaltete die Stadt am 13. September einen großen Festakt im Konzilgebäude am Hafen. Den Weg der großherzoglichen Kutsche von der Rheinbrücke durch die gesamte Altstadt an den Hafen hatte man prächtig geschmückt, und Schülerinnen, Schüler und Vereinsmitglieder bildeten auf der gesamten Strecke ein Spalier. Als die Kutsche am Konzilgebäude eintraf, überreichte ein kleines Mädchen der Großherzogin ein Blumenbukett und sagte ein Gedicht auf. Die Festreden wurden auf Wunsch des Großherzogs gedruckt, gebunden und an die Bevölkerung verteilt.
Die Mainau nach Friedrich I.
Ein Jahr nach seinem 80. Geburtstag und seiner Goldenen Hochzeit starb Großherzog Friedrich I. auf der Mainau. Seine Frau Louise ließ fortan auf der Insel nichts mehr verändern und verbrachte bis zu ihrem Tod 1923 weiterhin den Sommer auf der Mainau. Viktoria (1862-1930), die Tochter von Friedrich I. und Luise, hatte 1881 den schwedischen Kronprinzen Gustav geheiratet und über sie gelangte die Mainau in den Besitz des schwedischen Königshauses und 1932 dann an Lennart Bernadotte (1909-2004), den Urenkel von Friedrich und Louise, dessen Familie die Insel heute noch gehört.
Zum Weiterlesen
Crivellari, Fabio, Oelze, Patrick: Vom Kaiser zum Großherzog. Der Übergang von Konstanz an Baden 1806-1848, Konstanz 2007.
Dées de Stario, Alexander und Johanna: Die Mainau. Chronik eines Paradieses, Stuttgart 1977.
Engelsing, Tobias, Reene, Anne-Katrin: Schlösser am See. Burgen und Landsitze am westlichen Bodensee, Konstanz 2012.
Oster, Uwe A.: Die Großherzöge von Baden (1806-1918), Regensburg 2007.
Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg (Hg.): Sommerfrische in Salem. Das Haus Baden am Bodensee, Salem 2012.
Zang, Gerd: Geschichte der Stadt Konstanz 4.1.: Konstanz in der Großherzoglichen Zeit. Restauration, Revolution, Liberale Ära, Konstanz 1994.
Zang, Gerd: Geschichte der Stadt Konstanz 4.2.: Konstanz in der Großherzoglichen Zeit. Aufschwung im Kaiserreich, Konstanz 1993.
Über das Buch

Raus aus der Stadt – Sommerurlaub war früher nur dem Adel und dem Großbürgertum möglich. Doch nach und nach konnten auch andere ein paar Wochen im Grünen genießen.
Neben meinem Beitrag zur Sommerfrische am Bodensee könnt ihr im Buch bspw. spannende Geschichten über Hermann Hesse am Bodensee, Prinz Friedrich von Baden im Schwarzwald und über Urlaubsreisen in der viktorianischen Zeit lesen. Oder ihr begleitet Thomas Mann auf die Kurische Nehrung, fahrt mit Ludwig van Beethoven zur Kur und genießt mit Theodor Fontane den Sommer.
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