Klosterinsel Reichenau, Kirche St Georg

Geschichte und Natur: Die Klosterinsel Reichenau

[Update: 26.08.2021] Jahrtausendealte Geschichte, fantastische Wandmalereien und eine grandiose Aussicht: Einer der schönsten Orte am westlichen Bodensee ist die Klosterinsel Reichenau. Mittelalterliche Kirchen, viel Wasser und ein Naturschutzgebiet gibt es hier zu sehen. Seit 2000 gehört die Insel mit ihrem Benediktinerkloster zum UNESCO-Weltkulturerbe. In meinem Artikel geht es um die Geschichte des Klosters. Außerdem gibt es Tipps, was man auf der Klosterinsel Reichenau alles sehen und machen kann.

Die größte Insel des Bodensees liegt zwischen Konstanz und Radolfzell und ist durch den aufgeschütteten Reichenauer Damm mit dem Festland verbunden. Drei Ortsteile hat die Insel: Oberzell, Mittelzell und Niederzell. Es gibt aber keine geschlossene Siedlungsform. Einzelhöfe, kleinere Ansammlungen von Häusern, Freiflächen und Gewächshäuser sind locker über die 4,5 km lange und 1,5 km breite Insel verteilt.

Über den Damm mit der Pappelallee erreicht man die Insel vom Festland mit dem Auto, dem Fahrrad oder zu Fuß. Von April bis September/Oktober gibt es auch verschiedene Schiffsverbindungen z. B. von Allensbach oder Mannenbach (CH) aus.

Geschichte des Klosters Reichenau

Im Jahre 724 – so die Legende – soll der Heilige Pirmin auf der Insel Reichenau eingetroffen sein, um hier ein Kloster zu gründen. Pirmin selbst war vermutlich zuvor Bischof in Meaux bei Paris und begab sich dann auf Wanderschaft, um mehrere Klöster zu gründen. Als er auf der Reichenau eintraf soll sie menschenleer, dafür aber mit viel Gestrüpp und Gebüsch bewachsen gewesen sein. Unzählige Kröten, Frösche und giftige Schlangen lebten dort. Als Pirmin jedoch den Boden berührte, sollen die Tiere sofort von der Insel geflohen sein. Als alle Tiere die Insel verlassen hatten, verwandelte Pirmin sie mit Hilfe von 40 Männern in eine bewohnbare Stätte und gründete ein Benediktinerkloster, das er nach drei Jahren wieder verließ.

Das Kloster prosperierte jedoch nachdem Pirmin es verlassen hatte und wurde im Frühmittelalter zu einem politischen, geistigen und kulturellen Zentrum. Die Abtei Reichenau hatte von Beginn an Grundbesitz und die Dörfer in der Umgebung waren abgabepflichtig. Zusammen mit großzügigen Schenkungen sorgten diese Einnahmen für die finanzielle Sicherheit und den Reichtum des Klosters.

Politische Bedeutung unter den Karolingern und Ottonen

Etliche Äbte des Klosters hatten einflussreiche politische Positionen bei den weltlichen Herrschern inne. So war beispielsweise Abt Waldo (um 740-814/815) ein Vertrauter Karl des Großen und einer der Berater und Erzieher seines Sohnes Pippin. Andere Äbte der Reichenau wurden mit diplomatischen Missionen betraut und Abt Hatto III. (um 850-913) war zudem als Hatto I. Erzbischof von Mainz und Erzkanzler des Ostfränkischen Reichs. Auch während der Regierungszeit der Ottonen und Salier finden sich Reichenauer Äbte in der Nähe der Herrscher: Witigowo und Alawich begleiteten Otto III. (980-1002) bei seinen Romzügen und Abt Berno (978-1048) war eng mit Heinrich II. und Heinrich III. verbunden.

Wissenschaft und Kunst

Im frühen Mittelalter hatte das Kloster auf dem Gebiet der Wissenschaften eine bedeutende Stellung inne und brachte zahlreiche Gelehrte hervor. Einer der bekanntesten war Hermann der Lahme (1013-1054), der sich besonders für Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik interessierte und bedeutende wissenschaftliche Beiträge erbrachte. Die Abtei Reichenau hatte außerdem eine umfangreiche Bibliothek, die im frühen Mittelalter zu den größten in Europa gehörte und im Skriptorium des Klosters entstanden Prachthandschriften, die zu den wichtigsten der abendländischen Buchkunst zählen. Auch der St. Galler Klosterplan, die erste Darstellung einer mittelalterlichen Klosteranlage, ist hier entstanden.

Verfall und Säkularisierung

So bedeutend das Kloster Reichenau im frühen Mittelalter gewesen ist, ab dem Ende des 11. Jahrhunderts begann sein Stern zu sinken. Die Zahl der Mönche, die im Kloster lebten ging kontinuierlich zurück, die Abtei verlor ihre Privilegien und die geistige Führung ging an andere Klöster über. In den folgenden Jahrhunderten wurde das Kloster immer bedeutungsloser und ärmer. 1542 wurde schließlich der Bischof von Konstanz mit der Abtei belehnt, die somit nicht mehr unabhängig war. Bestrebungen die Unabhängigkeit wiederzubekommen schlugen fehl. 1803 wurde das Kloster letztendlich säkularisiert und die Überreste der Bibliothek wurden nach Karlsruhe gebracht.

Sehenswürdigkeiten auf der Klosterinsel Reichenau

Kirchen und ehemaliger Klosterbezirk

Während der Blütezeit des Klosters gab es mehr als 20 Kirchen und Kapellen auf der Insel. Drei mittelalterliche Kirchen sind auf der Insel Reichenau heute noch zu sehen.

St. Georg (Oberzell)

Wenn man die Insel vom Festland aus betritt, kann man schon von weitem St. Georg sehen. Ganz im Osten der Insel steht die Kirche auf einem Hügel. Erbaut wurde sie um das Jahr 896 von Abt Hatto, der in ihrer Krypta eine Reliquie des Heiligen Georgs aufbewahren ließ. Im 11. Jahrhundert wurde die Kirche um die Westapsis erweitert. In ihrem Inneren befinden sich einzigartige Wandmalereien aus dem späten 10. Jahrhundert. Sie zeigen Wundertaten aus dem Leben Jesu und sind mit die frühesten Zeugnisse ihrer Art nördlich der Alpen.

Öffnungszeiten: St. Georg ist von Oktober bis April täglich von 9.00 bis 17.00 geöffnet. Von Mai bis September kann die Kirche nur im Rahmen einer Führung (täglich 12.30 und 16.00) besichtigt werden. Die Krypta ist für die Öffentlichkeit nicht zugänglich.

Münster St. Maria und Markus und Klosterbezirk (Mittelzell)

Die vom Standort älteste der Reichenauer Kirchen ist das Münster St. Maria und Markus. Der Holzbau, den Pirmin nach seiner Ankunft auf der Insel hier errichten ließ, wurde bald zu klein und noch im 8. Jahrhundert durch einen Klosterbau mit einer Kirche aus Stein ersetzt. Die Anlage wurde im Laufe der Jahrhunderte stetig verändert und erweitert. Die mittelalterliche Klosteranlage ist heute nur noch in unterirdischen Spuren erhalten. Im frühen 17. Jahrhundert ließ der Konstanzer Bischof neue Konventsgebäude auf der Südseite des Münsters errichten, die alten Klostergebäude wurden damals abgerissen.

Sehenswert ist das Innere des Münsters mit dem Heiligblutaltar und der Schatzkammer, die sich in einem gotischen Raum an der Nordseite des Münsters befindet. Die Schatzkammer beherbergt den Reichenauer Münsterschatz. Neben einer Vielzahl von Reliquienschreinen befinden sich hier auch liturgische Gegenstände, die teilweise noch aus der Spätantike stammen.

Öffnungszeiten und Preise: Das Münster ist täglich von 9.00 bis 17.00 geöffnet. Die Schatzkammer kann man von April bis September Mo-Sa von 10.00 bis 12.00 und von 15.00 bis 17.00 besichtigen. Der Eintritt beträgt 2 EUR für Erwachsene, Ermäßigungen gibt es für Kinder, Schüler, Studierende und Gruppen.

St. Peter und Paul (Niederzell)

Bischof Egino von Verona gründete ganz im Nordwesten der Insel die Kirche St. Peter und Paul, die 799 geweiht wurde. Ende des 11. Jahrhunderts wurde die alte Kirche abgebrochen und in den folgenden Jahrzehnten wurde die neue dreischiffige Basilika errichtet, die man heute noch sehen kann. Um 1750 wurde die Kirche im Rokokostil neu gestaltet. In der Apsis sind Wandmalereien aus dem frühen 12. Jahrhundert zu sehen.

Öffnungszeiten: Die Kirche ist täglich von 9.00 bis 17.00 geöffnet.

Museum Reichenau

In Mittelzell südlich des ehemaligen Klostergeländes befindet sich das Reichenauer Museum. Es ist in einem der ältesten Fachwerkhäuser Süddeutschlands untergebracht. Das 1982 eröffnete Museum zeigt die Geschichte der mittelalterlichen Klosterinsel und die Geschichte der Reichenauer Bürger. Direkt neben dem Museum liegt das MvseumsCafé. Hier kann man nicht nur Kaffee und Kuchen genießen, sondern es gibt auch ein riesiges Angebot an Büchern und Zeitschriften, in denen man blättern und schmökern kann.

Öffnungszeiten und Preise: April bis Oktober, täglich von 10.30 bis 16.30, 3 EUR für Erwachsene, Ermäßigungen gibt es für Kinder, Schüler, Studierende und Gruppen.

Ergat und Gerichtslinde

Der Platz vor dem Museum, Ergat genannt, war früher der Versammlungsplatz und Mittelpunkt der Siedlung in Mittelzell.
Hier steht auch die alte Gerichtslinde. Um den Platz herum entstand südlich des Klosters im Laufe der Zeit eine kleine Siedlung. Nördlich des Klosters in der Nähe des Yachthafens gibt es einen weiteren historischen Siedlungskern.

Klosterinsel Reichenau: Natur pur

Bekannt ist die Reichenau nicht nur für ihre mittelalterliche Geschichte, sondern auch für ihr frisches und leckeres Gemüse. Rund 14.000 Tonnen Gemüse und Obst werden hier jährlich geerntet. Viel Natur, ein Naturschutzgebiet und eine tolle Aussicht auf den Bodensee kann man hier genießen.

Gemüse- und Weinanbau auf der Reichenau

Während bis Anfang des 20. Jahrhunderts auf der Insel hauptsächlich Wein angebaut wurde, wird heute überwiegend Gemüse angepflanzt. Auf der ganzen Insel gibt es Gewächshäuser und Felder. Salate, Gurken, Tomaten und anderes Obst und Gemüse von der Reichenau werden in ganz Süddeutschland verkauft. In den Hofläden oder an Ständen auf der Insel kann man erntefrisch Obst und Gemüse kaufen.

Kräutergarten von Walahfried Strabo

Nördlich des Münsters wurde 1991 nach historischem Vorbild des mittelalterlichen Klosters ein Kräutergarten angelegt. Diesen Kräutergarten beschreibt der Reichenauer Abt Walahfried Strabo (808/809-849) in seinem Werk Buch über den Gartenbau (Liber de cultura hortorum). In lateinischen Hexametern erläutert er das Aussehen und die Heilkräfte von 24 Pflanzen, die in seinem Kräutergarten wuchsen.

Aussichtspunkte und Uferweg

Um den Nordteil der Insel führt ein ca. 9 km langer Uferweg direkt am See entlang. Der Weg ist nur für Fußgänger und man hat auf dem Weg fast überall eine gute Sicht auf den See. Der Aussichtspunkt Hochwart ist der höchste Punkt der Insel. Von hier hat man einen tollen Blick auf die Insel, den Bodensee und die umliegenden Gebiete. Von der Ruine Schopflen, die sich direkt hinter dem Damm befindet, der die Reichenau mit dem Festland verbindet, hat man ebenfalls eine wunderschöne Aussicht. Dort hat der Naturschutzbund Nabu eine Beobachtungsplattform errichtet, auf der man Wasservögel beobachten kann. Der Nabu bietet auch Führungen durch das Naturschutzgebiet Wollmatinger Ried an. Ungefähr 600 verschiedene Farn- und Blütenpflanzen wachsen hier und fast 300 Vogelarten leben im Ried.

Mehr über die Klosterinsel Reichenau, Gastronomie und Übernachtungsmöglichkeiten gibt es auf der Seite der Tourist-Information Reichenau.

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Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Beate

    Sehr ausgiebig,super

    1. Daniela Frey

      Liebe Beate,
      vielen Dank! LG Daniela

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