Wohnorte, Tatorte, Erinnerungsorte: Jan Hus und Hieronymus von Prag in Konstanz

Eines der zentralen Themen der Konstanzer Stadtgeschichte ist das Konzil, das hier von 1414 bis 1418 stattgefunden hat und auf dem nach fast 40 Jahren das Große Abendländische Schisma beendet und mit Martin V. ein neuer Papst gewählt wurde. Viele heute noch vorhandene Gebäude in der Stadt haben während des Konzils eine Rolle gespielt: Im Münster fanden die Konzilsversammlungen statt, die Klöster und Partrizierhäuser beherbergten wichtige Gäste und im sogenannten Konzilsgebäude am Hafen fand die Papstwahl statt. Gegenwärtig sind aber auch die Erinnerungen an die Verurteilung und Hinrichtung der beiden böhmischen Reformatoren und Prediger Jan Hus und Hieronymus von Prag auf dem Konstanzer Konzil. In meinem Artikel zeige ich euch die Aufenthaltsorte von Jan Hus und Hieronymus in Konstanz, die Orte, die heute an die beiden erinnern und das Hus-Museum.

Jan Hus wurde um 1370 in Husinec in Südböhmen geboren. Obwohl er aus einfachen Verhältnissen stammte, studierte er an der Universität Prag und wurde 1400 zum Priester geweiht. In der Bethlehemskirche in Prag predigte er auf Tschechisch und kritisierte Struktur und Zustand der Kirche. So verurteilte er u. a. den Verkauf von Kirchenämtern, den Ablasshandel und die hierarchische Struktur der Kirche.

Anregungen für seine Kritik erhielt er aus den Schriften des englischen Kirchenkritikers John Wyclif (1330-1384). Dessen Ideen von der Gleichheit aller Christen, seine Kritik an der Kirche und den Zuständen in der Kirche wurden vor allem von den Studenten in Prag bereitwillig aufgenommen und spalteten die Universität. Jan Hus, der 1409/1410 ein Semester die Prager Hoch­schule leitete, sympathisierte offen mit Wyclifs kirchen­kritischen Ideen. Als Prediger konnte er diese auch volksnah unter die Leute bringen. Bereits zuvor schon einige Male angeklagt, wurde er 1412 mit dem Kirchenbann belegt. Um die Anklagen wegen Ketzerei zu prüfen, lud man Hus vor das Konstanzer Konzil und der König versprach ihm Schutz.

Graffiti Jan Hus Konstanz
Graffiti von Emin Hasirci in Konstanz.

Anfang No­vem­ber 1414 traf er in der Stadt ein. Hus selbst sah in dieser Einladung die Möglichkeit zu beweisen, dass er zwar mit Wyclif sympathisierte, aber nicht dessen „ketzerische“ Ideen teilte. Man gab ihm diese Chance nicht. Bereits Ende November wurde er verhaftet, bei den Verhören ließ man ihn nicht zu Wort kommen. Die Gelegenheit, seine Ansichten in der Öffentlichkeit zu äußern, erhielt er nicht. Seine Ankläger verlangten, dass er widerrufen solle. Das tat Hus jedoch nicht. Und der König brach sein Schutz­versprechen: Als Hus im Juli 1415 westlich der Konstanzer Stadtmauern als Ketzer verbrannt wurde, wohnte Sigismund der Hinrichtung bei.

Hieronymus von Prag

Das genaue Geburtsdatum von Hieronymus von Prag ist unbekannt, sicher war er ein paar Jahre jünger als Jan Hus. Studiert hat er in Prag und Oxford, gelehrt an den Universitäten Paris, Köln und Heidelberg. In Paris überwarf er sich 1405/1406 mit Jean Gerson, dem Kanzler der Sorbonne und auch in Köln und Heidelberg machte er sich mit seinen Reden unbeliebt. Zurück in Prag war Hieronymus 1409 wesentlich an der Verfassung des Kuttenberger Dekrets beteiligt, das die rechtliche Stellung der Böhmen und damit die Stellung der Wyclif-Anhänger an der Prager Universität stärkte. Hieronymus geriet immer stärker unter den Verdacht der Häresie und bereits 1410 kam es in Wien zu einer Anklage wegen Verbreitung der Ketzerei. Er floh und wurde exkommuniziert. In den kommenden Jahren war er in Polen und Litauen unterwegs.

Hus zielte auf das praktische, glaubwürdige Leben der Christenheit, Hieronymus demgegenüber auf das eigenständige Denken, die philosophische Spekulation, die angeblich Festgefügtes infrage stellt. Hus dachte ekklesiologisch, d. h. immer im Kontext seiner katholischen Kirche. Hieronymus seinerseits dachte philosophisch. Hus sprach prophetisch, Hieronymus eher provokativ. Das Milieu von Jan Hus war die Gemeinde, das Milieu von Hieronymus die Welt der Universitäten, die Höfe, der Dunstkreis der politisch Mächtigen. Jan Hus war fest in Prag verwurzelt, Hieronymus zog es in die Welt.”

Jürgen Hoeren, Winfried Humpert: Hieronymus von Prag. Der Philosoph im Schatten von Jan Hus, Konstanz 2016, S. 28f

Am 4. April 1415 kam Hieronymus nach Konstanz, um Jan Hus zu unterstützen. Hus hatte ihm dringend davon abgeraten an den Bodensee zu reisen, aber Hieronymus hörte nicht auf ihn. Erst vor Ort nahm er die Warnungen ernst und verließ Konstanz bereits nach zwei Tage wieder. Aus Überlingen bat er um sicheres Geleit, um vor der Konzilsversammlung sprechen zu können. Da er jedoch keine Antwort bekam, beschloss er nach Prag zurückzukehren. In der Oberpfalz nahm man ihn gefangen und brachte ihn zurück nach Konstanz, wo ihm der Prozess gemacht wurde. Am 30. Mai 1416 starb auch Hieronymus von Prag auf dem Scheiterhaufen.

Aufenthaltsorte von Jan Hus und Hieronymus von Prag in Konstanz

Herbergen

Jan Hus traf am 3. November 1414 zusammen mit seinen Begleitern in Konstanz ein und bezog ein Quartier im Haus von Fida Pfister in der St. Paulsgasse, der heutigen Hussenstraße. Hier wohnte er bis zu seiner Verhaftung am 28. November. Lange Zeit glaubte man, dass Fida Pfister die Eigentümerin des Gebäudes war, in dem sich heute das Hus-Museum befindet. In den 1980er fand der Konstanzer Lokalhistoriker Gernot Blechner jedoch heraus, dass sich Hus Herberge einige Häuser weiter im Haus zur Roten Kanne befunden hat.
Wo: Hussenstraße 22

Bei seinem Aufenthalt in Konstanz wohnte Hieronymus von Prag im Haus zum Delphin, nachdem er am 4. April 1415 in Konstanz eingetroffen war.
Wo? Hussenstraße 14

Gefängnisse

Am 28. November 1414 wurde Jan Hus verhaftet. Ab dem 6. Dezember 1414 war er in einem Gefängnis im Dominikanerkloster (heute: Steigenberger Inselhotel) auf der Insel untergebracht. Mitte März 1415 wurde er nach Schloss Gottlieben im Thurgau gebracht.
Wo? Steigenberger Inselhotel

Bevor sein Prozess begann verlegte man Jan Hus zurück nach Konstanz, wo er bis zu seinem Tod im Barfüßerturm des Franziskanerklosters eingesperrt war.
Wo? Das ehemalige Franziskanerkloster befindet sich am St. Stephansplatz. Der Barfüßerturm ist von der Laube aus zu sehen.

Als Hieronymus von Prag am 23. Mai 1415 in Ketten nach Konstanz zurückgebracht wurde, inhaftierte man ihn im städtischen Turm bei der St. Paulskirche. Der Turm wurde Anfang des 20. Jahrhunderts abgebrochen, das Erinnerungsrelief an Hieronymus hat man am Neubau wieder angebracht.
Wo? Obere Laube 78

Prozessort

Das Münster war der Ort, an dem die Sitzungen des Konzils stattfanden. Hier traf die Konzilsversammlung wichtige Entscheidungen und hier sprach sie auch die Urteile über Jan Hus und Hieronymus von Prag. Hus wurde in der 15. Konzilssitzung am 6. Juli 1415 zum Tode verurteilt, Hieronymus Urteil wurde am 30. Mai 1416 gefällt und vollstreckt.

Erinnerungsorte an Jan Hus und Hieronymus von Prag in Konstanz

Nachdem Jan Hus und Hieronymus von Prag auf dem Scheiterhaufen den Tod gefunden hatten, verstreute man ihre Asche im Rhein, damit nichts von ihnen übrig blieb, das als Reliquie dienen konnte. Erst nach den liberalen badischen Reformen im 19. Jahrhundert setzte man den beiden ein erstes Denkmal.

Hussenstein und Gedenkreliefs

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde den beiden, trotz erheblichen Widerstands der katholischen Kirche, mit dem Hussenstein ein Gedenken gesetzt. Der Hussenstein steht seit 1863 an der (vermeintlichen) Stelle an der Jan Hus und Hieronymus von Prag als Ketzer verbrannt wurden.
Wo? Kreuzung Zum Hussenstein/ Alter Graben/ Döbelestraße

Einige Jahre später brachte man am heutigen Hus-Haus ein Erinnerungsrelief an Jan Hus an. Ein ähnliches Relief gibt es auch an dem Nachfolgebau des Turms, in dem Hieronymus von Prag inhaftiert gewesen war.
Wo? Hussenstraße 64 und Obere Laube 78

Denkmale im 21. Jahrhundert

Anlässlich des 600. Todestages von Jan Hus wurden 2015 zwei weitere Denkmale für Jan Hus (und Hieronymus von Prag) in Konstanz aufgestellt.

Seit 2015 steht ein Werk der Bildhauerin Adéla Kačabová als Denkmal für Jan Hus und Hieronymus von Prag gegenüber der Lutherkirche an der Laube.
Wo? Mittelstreifen der Laube, gegenüber der Lutherkirche.
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Ebenfalls aus dem Jahr 2015 stammt das Denkmal „WAHRHEIT“ der Künstler Jerry Koza, Adam Jirkal und Martin Papcún. Fällt das Licht in einem bestimmten Winkel auf das Kunstwerk, wird das Wort „Wahrheit“ an die Wand projiziert. Hieronymus von Prag wird hier nicht gewürdigt.
Wo? An der Außenwand des ehemaligen Franziskanerklosters (heute Bürgersaal) am St. Stephansplatz.

Legenden um Jan Hus

Das Teufelsmal

Betritt man das Konstanzer Münster durch das Hauptportal, kann man im Mittelschiff (an der Grabplatte des Weihbischofs Miller) eine seltsame Verfärbung sehen. Hier soll Hus gestanden haben, als sein Todesurteil verkündet wurde. Manchen schien diese Verfärbung wie eine Kralle auszusehen und so sagten sie, mit dem Ketzer Hus, sei der Teufel in die Kirche gekommen und habe sein Mal hinterlassen. Die Anhänger von Hus sahen die Verfärbung jedoch als Zeichen Gottes. Tatsächlich handelt es sich bei den Verfärbungen um Wasserflecken, da sich nach starkem Regen an der Stelle das Wasser ansammelt.

Die Gans und der Schwan

Eine Gans bradt Ihr, sagt ich ihn dar,
uber hundert Jar, nemet wol war,
wird kommen ein schneeweisser Schwan,
denselben werd Ihr ungebraten lan.

Aus: Peter Hilsch: Johannes Hus, S. 288

Die Worte soll Jan Hus auf dem Scheiterhaufen gesprochen haben. Hus(a) ist das tschechische Wort für Gans. Der Schwan soll auf Martin Luther verweisen. Zwar ist das Wortspiel mit der gebratenen Gans aus einem Brief von Jan Hus aus seinem Gefängnis in Konstanz überliefert. Die Geschichte von der Gans Hus und dem Schwan Luther ist aber vermutlich in Luthers Umfeld entstanden, der die Schriften von Hus gelesen und ihn geschätzt hat.

Abrahams abgeschnittene Nase

Die Kanzel im Konstanzer Münster wurde 1680 gefertigt. Die Figur, auf deren Kopf und Händen die Kanzel ruht stellt Abraham dar. Ab der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts dachten die Menschen jedoch, dass es sich beim Träger der Kanzel um Jan Hus handeln würde, der als Sühne für seine Ketzereien nun für immer die schwere Kanzel tragen müsse. Die Figur wurde deshalb bespuckt und ein kleines Mädchen schnitt ihr 1767 sogar die Nase ab! Einige Jahre später weilte Kaiser Joseph II. in der Stadt und machte dem Treiben dann ein Ende. Im 19. Jahrhundert wurde Abraham dann aber noch in der Conciliums-Ausstellung im Kaufhaus am See als Jan Hus ausgestellt und befand sich später für viele Jahre im Rosgartenmuseum. Seit 1984 ist die Figur wieder an ihrem angestammten Platz unter der Kanzel zu sehen.

Kanzel im Konstanzer Münster
Kanzel im Konstanzer Münster

Museum Hus-Haus

Das Hus-Haus am Schnetztor gehört der Hus-Museum-Gesellschaft in Prag und wird von den Städtischen Museen Konstanz betrieben. Seit 1980 befindet sich hier die Dauerausstellung zu Jan Hus. 2014 wurde die Ausstellung neu konzipiert. Johannes Hus – Mut zu denken, Mut zu glauben, Mut zu sterben zeigt Leben, Werk, Tod und Vermächtnis des böhmischen Reformators. Ein kleines, aber feines Museum, das ihr euch unbedingt anschauen solltet.

Das Museum zeigt auch regelmäßig kleine Sonderausstellungen. Bis November 2020 ist die Sonderausstellung Das hussitische Tabor – 600 Jahre zu sehen.

Adresse, Öffnungszeiten und Preise: Hussenstraße 64. Das Museum hat von April bis September Di- So von 10:00 – 12:00 und von 13:00 – 17:00, Oktober bis März Di – So von 10:00 – 12:00 und 13:00 – 16:00 geöffnet. Der Eintritt ist frei. Führungen können auf Anfrage gebucht werden.

Zum Weiterlesen

Über Jan Hus und Hieronymus von Prag:
Gernot Blechner: Warum das “Hus-Haus beim Schnetztor? Ein Erklärungsversuch, in: Delphin-Kreis (Hrsg.): Konstanzer Beiträge zu Geschichte und Gegenwart Band 4, Konstanz 1995, S. 138-143.
Gernot Blechner: Über die Konstanzer Aufenthaltsorte des Jan Hus, in: Delphin-Kreis (Hrsg.): Konstanzer Beiträge zu Geschichte und Gegenwart Band 12, Konstanz 2016, S. 26-39.
Thomas A. Fudge: Hieronymus von Prag und die Grundlagen der Hussitischen Bewegung. Eine Biographie, Münster 2020.
Peter Hilsch: Johannes Hus. Prediger Gottes und Ketzer, Regensburg 1999.
Jürgen Hoeren, Winfried Humpert: Hieronymus von Prag. Der Philosoph im Schatten von Jan Hus, Konstanz 2016.

Über das Konstanzer Konzil:
Thomas Martin Buck, Herbert Kraume: Das Konstanzer Konzil. Kirchenpolitik, Weltgeschehen, Alltagsleben, Ostfildern 2013.
Ansgar Frenken: Das Konstanzer Konzil, Stuttgart 2015.
Jan Keupp, Jörg Schwarz: Konstanz 1414-1418. Eine Stadt und ihr Konzil, Darmstadt 2014 (2. Auflage).

 

Dieser Artikel ist auch auf der Kulturplattform Der Leiermann erschienen:  
Jan Hus und Hieronymus von Prag

Museen am Bodensee
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