Gerade eben ist im Leiermann-Verlag ein neues Buch erschienen: Altweibersommer. Herbstliche Kulturgeschichten. Ich habe für das Buch einen Artikel über den Bodenseewein und die Geschichte des Weinbaus am Bodensee geschrieben. Ihr könnt ihn hier lesen und am Ende gibt es auch noch weitere Infos zum Buch.
Der Weinanbau hat am Bodensee eine sehr lange Tradition und wurde vermutlich von den Römern begründet. Doch bereits bevor die Römer den Bodensee erreichten, gab es Trauben am Bodensee, wie archäologische Funde von Wildtraubenkernen zeigen. In meinem Beitrag berichte ich von der wechselvollen Geschichte des Weinbaus am Bodensee und erzähle einige Sagen und Anekdoten rund um den Bodenseewein.
Inhalt
Der Bodenseewein im Mittelalter
Die ersten historischen Nachweise über Weinanbau am Bodensee stammen aus dem 8. Jahrhundert. Der Anbau von Wein ist beispielsweise um 762 in Arbon im Schweizer Kanton Thurgau bezeugt, 773 in Bohlingen im Landkreis Konstanz und 773 im thurgauischen Romanshorn. Der ostfränkische Kaiser Karl III. (839-888), dessen Grab sich im Münster der Klosterinsel Reichenau befindet, brachte als erster 884 den Blauburgunder aus Burgund an die Kaiserpfalz Bodman am Bodensee. Im Hochmittelalter weitete sich der Weinbau über das gesamte Bodenseegebiet aus, bedingt durch das günstige Klima, Fortschritte in der Rebenkultivierung und gezielte Rodungen. Zwischen 1300 und dem Anfang des 17. Jahrhunderts hatten sich die Flächen, die für den Anbau von Wein genutzt wurden, verdreifacht, und Wein war eine wichtige Erwerbsquelle der Bevölkerung geworden. Auch hatte sich Wein im Laufe der Zeit zum beliebtesten Getränk entwickelt, während der Konsum von Bier und Met zurückgegangen war.
Die Klöster als Förderer des Weinbaus
Besonders die Klöster förderten den Weinanbau, da sie diesen für den Gottesdienst, zur Bewirtung von Gästen und auch für den Eigenbedarf benötigten. Im Kloster Reichenau, das eines der ersten Klöster am Bodensee war, wurde der erste Rebstock im Jahre 818 gepflanzt. Im Hochmittelalter besaßen die Klöster auch die meisten Rebflächen rund um den Bodensee. Da die Klöster diese Flächen zum großen Teil als Stiftungen erhalten hatten, waren diese meist nicht zusammenhängend, sondern befanden sich an verschiedenen Orten. So verteilte sich beispielsweise der Rebbesitz des Klosters Salem auf über 40 Ortschaften.
Welche Bedeutung der Wein für die Klöster und ihre Mitglieder hatte, könnt ihr an der schaurigen Sage vom großen Fass im Salemer Klosterkeller sehen:
In früheren Zeiten war der Pater Großkellner, also der Mönch, der die Aufsicht über den Weinvorrat hatte, fast so angesehen wie der Prälat. Denn alle Mönche tranken gerne einen guten Tropfen Wein. Nun gab es einmal einen Pater Großkellner, der ein Fass bauen ließ, das so groß war, dass man den Weinkeller des Klosters ausbauen musste, um es unterzubringen. Das Fass wurde mit den Zinsweinen des besten Jahrgangs seit Langem gefüllt. Die Mönche bekamen Wein aus diesem Fass nur an den Festtagen, und der Pater Großkellner trug den Schlüssel zum Weinkeller stets bei sich. Als er jedoch eines Nachts fest schlief, entwendete ihm einer der Mönche den Schlüssel und machte sich einen Abdruck davon. Fortan schlich er sich häufig, wenn alle anderen schliefen, in den Weinkeller, um sich den einen oder anderen Krug des köstlichen Weins zu genehmigen. Eines Nachts fand er jedoch – vielleicht hatte der Pater Großkellner Verdacht geschöpft – den Hahn des Fasses durch einen Zapfen ersetzt, den er nicht öffnen konnte. Der trinkfreudige Mönch wusste sich jedoch zu helfen: Er nahm eine Leiter und stieg zum Fass hinauf. Hier sah er, dass die Tür des Spundlochs nur angelehnt war, er öffnete sie und trank so viel von dem Wein, bis ihm schwindelig wurde und er das Gleichgewicht verlor. Der Mönch fiel in das gigantische Weinfass und ertrank darin. Einige Tage später entdeckte der Pater Großkellner, dass das Weinfass offen war. Als er daraufhin mit einer Stange prüfen wollte, wie viel Wein es noch enthielt, entdeckte er die Leiche des ertrunkenen Mönchs, von dem man bisher gedacht hatte, dass er aus dem Kloster geflohen sei. Dem Pater Großkellner erschien es aber allzu schade, den guten Wein wegzuschütten, und so zog er den Mönch aus dem Fass und begrub ihn heimlich. Erst auf seinem Sterbebett gestand der Pater Großkellner seine Tat. Bevor er aber den Ort verraten konnte, an dem er den Mönch begraben hatte, verstarb er. Seither wandert der Pater Großkellner ruhelos im Keller des Klosters umher und kratzt an den Reifen des großen Weinfasses. Das Grab des Mönchs wurde jedoch später entdeckt, und er erhielt ein ordentliches Begräbnis.
Nacherzählt nach Theodor Lachmann: Sagen und Bräuche am Überlinger See, Weißenhorn 19762, S. 88f.
Wein als wirtschaftliches Standbein für Adel und Städte
Aber nicht nur die Klöster, sondern auch der Adel baute Wein an. So hatten die Grafen von Montfort Weinberge in Vorarlberg, Liechtenstein und Tettnang. Im Hegau und am westlichen Bodensee hatten die Grafen von Bodman, die Freiherren von Stotzingen und von Hornstein und später auch die Grafen von Waldburg-Wolfegg Rebflächen.
Und auch die Städte entdeckten den Weinbau als wichtiges wirtschaftliches Standbein und bedeutende Erwerbsquelle. So ernährten der Weinbau und der Handel mit Wein bis zum Ende des Mittelalters beispielsweise einen Großteil der Bregenzer Bevölkerung. In Überlingen war der Weinbau spätestens zu Beginn des 14. Jahrhunderts zur Haupterwerbsquelle geworden, und die Überlinger verkauften ihren Wein auf Märkten nach Oberschwaben und ins Allgäu. Und auch in Besen-, Straußen- oder Rädlewirtschaften wurde der eigene Wein ausgeschenkt und verkauft. Diese Tradition gibt es heute noch: Je nach Gegend hängen oder stellen die Winzer einen Besen, einen Strauß mit Blumen und Zweigen oder ein kleines Wagenrad vor ihr Haus, um auf ihren Weinausschank aufmerksam zu machen. Der Wein kann dann direkt beim Winzer, zusammen mit einer Brotzeit oder einem anderen einfachen Gericht, genossen werden.
Die meisten Städte hatten auch eigene Schankordnungen und Weingesetze. Diese sahen teils empfindliche Strafen für Weinpanscher vor: In Buchhorn musste man mit einer empfindlichen Geldstrafe rechnen, wenn man neuen und alten Wein mischte, und in alten Überlinger Chroniken wird berichtet, dass Weinverfälscher ein altes, schimmliges Fass über den Kopf gestülpt bekamen. Der Panscher wurde dann von einem Wärter durch die Stadt geführt, dass alle sehen konnten, was er getan hatte. Wiederholungstätern konnte in Überlingen sogar die Todesstrafe drohen.
Spitalstiftungen und Wein
Die im Laufe des Mittelalters entstandenen Hospitalstiftungen besaßen neben Feldern, Wiesen und Wäldern auch Weinberge. Treibende Kräfte für die Entstehung dieser Spitäler, die oft von reichen Bürgern gestiftet wurden, waren zum einen das Ideal der christlichen Nächstenliebe, zum anderen aber auch die Furcht um das eigene Seelenheil, für das man durch die mildtätige Stiftung Vorsorge treffen wollte. Häufig wählten die Spitäler den Heiligen Geist als Namens- und Schutzpatron. Am Bodensee gibt bzw. gab es Heilig-Geist-Spitäler in Konstanz, Überlingen, Radolfzell, Meersburg, Buchhorn und Lindau.
Die Spitäler hatten aber nicht nur eine karitative und soziale Bedeutung, sondern waren auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Die wirtschaftliche Grundlage des Konstanzer Spitals beispielsweise war ein umfangreicher Grundbesitz an Feldern, Wiesen, Rebflächen, Wäldern sowie Einkünfte aus Zins- und Zehntberechtigungen. Der Vermögenszuwachs entstammte in großen Teilen Schenkungen und Vermächtnissen. Das noch heute wichtigste Weingut des Spitals war ebenfalls eine Schenkung und ist Grundlage einer am Bodensee bekannten Sage. Im Jahre 1272 hatte das Konstanzer Bürgersehepaar Ulrich und Adelheid Sumbri dem Spital den Weinberg Haltnau geschenkt, mit der Auflage, dass die Spitalstiftung Adelheid Sumbri nach dem Tod ihres Mannes jedes Jahr 20 Eimer Wein zur Verfügung stellen sollte. Nun liegt aber das Weingut Haltnau nicht in Konstanz, sondern auf der anderen Seeseite auf dem Gebiet der Stadt Meersburg. Die wahren Gründe, wie Konstanz in den Besitz des Weinguts gekommen ist – Meersburg hatte zu dieser Zeit noch kein Spital, dem man den Weinberg hätte schenken können –, gingen im Laufe der Zeit verloren. In späteren Jahrhunderten hat sich wohl mancher Meersburger gefragt, wie es sein kann, dass dieses große Weingut den Konstanzern gehört, und so entstand im 19. Jahrhundert die Sage von der Wendelgard, die ich hier kurz erzählen möchte.
Die Sage der Wendelgard von Halten
Vor vielen, vielen Jahrhunderten lebte bei Meersburg ein Edelfräulein namens Wendelgard von Halten. Sie war eine Frau mittleren Alters, die sehr vermögend – ihr gehörte unter anderem der große ertragreiche Haltnauer Weinberg – und eigentlich auch sehr umgänglich war. Jedoch hatte sie einen Buckel und einen Schweinerüssel, dessentwegen sie nicht von Tellern, sondern nur aus einem silbernen Trog essen konnte. Dies führte dazu, dass niemand mit ihr speisen wollte. Da sie aber, wie schon erwähnt, eigentlich sehr umgänglich war, wünschte sie sich Gesellschaft beim Essen. Wendelgard machte sich ihre Gedanken, überlegte hin und her und irgendwann unterbreitete sie dem Meersburger Stadtrat einen Vorschlag. Sie sagte: »Wenn immer einer von euch Stadtherren mit mir isst und danach mit mir eine Ausfahrt macht, dann hinterlasse ich euch nach meinem Tod meine Besitztümer und vor allem meinen großen Weinberg«. Die Meersburger lehnten den Vorschlag jedoch ab, woraufhin die Wendelgard den gleichen Vorschlag auch dem Konstanzer Stadtrat machte. Dieser zögerte nicht lange, die Stadtherren dachten sich: »So jung ist die Frau nicht mehr, so lange wird sie sicherlich nicht mehr leben. Außerdem sind wir ja auch viele Stadtherren und können uns abwechseln. Beim Essen und bei der Ausfahrt können wir dann auch viel von dem leckeren Haltnauwein trinken, das macht es erträglicher.« Und so wurde es dann auch gemacht. Immer einer von den Stadtherren aß mit der Wendelgard und machte danach eine Ausfahrt mit ihr. Wendelgard von Halten wurde über 90, überlebte etliche Stadtherren, aber nach ihrem Tod gingen ihr Vermögen und ihr Weinberg in den Besitz der Stadt Konstanz über.Es gibt verschiedene Versionen der Sage. In einer Version möchte die Wendelgard z. B. Gesellschaft beim Essen, da sie Angst davor hat, vergiftet zu werden.
Zäsur im Dreißigjährigen Krieg
Der Seekrieg auf dem Bodensee im Dreißigjährigen Krieg hatte auch Einfluss auf die Entwicklung des Weinbaus. Viele Orte am Bodensee wurden belagert, erobert und zerstört. Die Bevölkerung wurde durch den Krieg, die Pest und Hungersnöte stark dezimiert, und auch viele Rebflächen wurden vernichtet. Als sich die Verhältnisse nach dem Dreißigjährigen Krieg etwas stabilisiert hatten, begann man wieder verstärkt mit dem Anbau von Wein. Quantität, nicht Qualität, war schon während des Mittelalters das Motto gewesen, denn je größer der Ertrag, desto mehr Wein konnte verkauft werden. So baute man Wein auch in schlechten Lagen an, die Reben wurden sehr eng gesetzt, um den Ertrag zu steigern, und die Weinlese wurde immer weiter vorverlegt. Nun aber wurden fast nur noch sogenannte Quantitätstrauben angebaut, die zwar einen hohen Ertrag brachten, aber keinen guten Wein. Als Folge blieben die auswärtigen Käufer aus, und die Verkaufspreise des Weins waren niedrig. Der Weinbau ging daraufhin zurück, und die Flächen wurden vermehrt für den Anbau von Obst und Getreide genutzt. Ab dem 18. Jahrhundert wurden auch Most und Bier wieder beliebter. Allein in Konstanz gab es beispielsweise Ende des 19. Jahrhunderts rund 16 Brauereien.
Vom schlechten und sauren Bodenseewein vergangener Tage berichten auch verschiedene spöttische Anekdoten und Gedichte.
Anekdoten und Gedichte vom Bodenseewein
Der Südtiroler Sänger, Dichter, Ritter und Politiker Oswald von Wolkenstein (1377-1445), der am Konzil von Konstanz (1414-1418) teilgenommen hatte, machte während seines Aufenthalts am Bodensee auch einen Ausflug nach Überlingen. Seine Enttäuschung über diesen Ausflug brachte er in einem Minnelied zum Ausdruck, in welchem er neben den gesalzenen Überlinger Preisen auch den Wein kritisierte:
[…] Wein so süß wie Schlehensaft. Rauht mir meine Kehle auf, daß es den Gesang verkratzt! […] Seine Säure läßt mein Blut gerinnen, macht mich schlapp, schlecht gelaunt. Saurer Pansch-Wein zieht das Maul mir krauß. Zitiert nach: Gunter Schwarz: Reben am See, Konstanz 1995, S. 49.
Der Prämonstratenser, Prediger und Schriftsteller Sebastian Sailer (1714-1777) aus dem Kloster Obermarchtal lässt in seiner Dialektkomödie Der Fall Luzifers Gott Luzifer auffordern, ein Glas Bodenseewein zu trinken:
Guck dötta as seall Glas Wei’, vom Sai ischt as. Jetz glei trink’s nei’!(Schau dort auf dieses Glas Wein. Es stammt vom See. Trink es sofort aus!) Vgl. Sebastian Sailer: Der Fall Luzifers, auf: Projekt Gutenberg
Luzifer lehnt dies entschieden ab
Lieaber Gott Vatter mei’! Dees gang i gar itt ei’, daß i soll saufa dea’ Dreck.(Lieber Gott Vater mein! Darauf lasse ich mich nicht ein, dass ich diesen Dreck trinken soll.) Vgl. Sebastian Sailer: Der Fall Luzifers, auf: Projekt Gutenberg
und landet daraufhin in der Hölle.
Im Gegensatz zu Sailer formulierte man die Kritik am Bodenseewein in der Schweiz deutlich höflicher:
Am Undersee, da wachst en Wy, er dörft e bizli besser sy(Am Untersee da wächst ein Wein, der dürfte ein wenig besser sein.) Vgl. Albert Bärtsch: Rebe und Wein im Thurgau, Frauenfeld 1997, S. 171.
Weinanbau im 19. und 20. Jahrhundert
Durch die Säkularisierung der Klöster am Anfang des 19. Jahrhunderts verbesserte sich unter den neuen Besitzern die Qualität der Weine. Man testete neue Schnitttechniken und probierte neue Rebsorten aus. Hierbei tat sich Markgraf Wilhelm (1792-1859), der jüngere Bruder des badischen Großherzogs, hervor. Er nutzte das ehemalige Kloster Salem, das 1802 an das Haus Baden gefallen war, als Sommerresidenz und modernisierte dort Landwirtschaft und Weinbau. Er schickte Rebleute zur Aus- und Fortbildung in den Rheingau, setzte auf Qualitätsweine und suchte nach Rebsorten, die für die Salemer Böden am besten geeignet waren. Insgesamt ging man dazu über, den Wein nur noch in Süd- und Südostlagen anzubauen, die Rebstöcke in größeren Abständen zu pflanzen und edlere Sorten zu pflanzen. Verbesserungen gab es aber nicht nur bei der Qualität des Weines, sondern auch für die Winzer: 1881 gründete der Hagnauer Pfarrer Heinrich Hansjakob den Hagnauer Winzerverein und damit den ersten Winzerverein in Baden. Der genossenschaftliche Weinbau ermöglichte den Winzern fortan bessere Preisverhandlungen mit den Weinhändlern. Nur wenige Jahre später gründeten auch die Winzer in Immenstaad, Meersburg und auf der Insel Reichenau Genossenschaftsvereine.
Die »Erfindung« einer neuen Rebsorte
Der im thurgauischen Tägerwilen am Bodensee geborene Pflanzenphysiologe, Botaniker und Rebzüchter Hermann Müller (1850-1927) begann im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts damit, eine neue Rebsorte zu entwickeln, die ohne große Ansprüche an Lage, Klima und Boden einen milden Qualitätswein erzeugen sollte. Nach zahlreichen Versuchen gelang ihm aus den Sorten Riesling und Madeleine Royale eine Kreuzung, die heute als Müller-Thurgau bekannt ist. Anfang des 20. Jahrhunderts begannen die Ostschweizer Winzer den Wein anzubauen. Im deutschen Bodenseegebiet erwies sich die Einführung der neuen Rebsorte zunächst als schwierig, da die Obrigkeit der neuen Kreuzung misstraute und den Anbau verbot. 1925 schmuggelte schließlich Johann Baptist Röhrenbach, der Gutsverwalter von Schloss Kirchberg, die Rebe aus dem Thurgau über den Bodensee und baute ihn erstmals auf der deutschen Seeseite an.
Doch alle diese Bemühungen halfen zunächst nicht, den fortschreitenden Niedergang des Weinbaus aufzuhalten. Viele Faktoren spielten hierbei eine Rolle: hohe Kosten, die Aufgabe vieler kleiner Weingüter, schlechte Absatzmöglichkeiten, schlechte Reputation, Rebkrankheiten, Rebschädlinge und ein immer umfangreicheres Angebot an Bier und Obstweinen. So sank allein die Rebfläche im deutschen Teil des Bodensees von 2000 Hektar im Jahre 1830 auf 1200 Hektar im Jahre 1900. Den Tiefpunkt bildete schließlich das Jahr 1960, als es sogar nur noch 130 Hektar Rebfläche im deutschen Teil des Bodenseegebiets gab.
Und heute?
In Friedrichshafen gibt es keine Weinberge mehr, dafür wird im württembergischen Teil des Bodensees seit 1986 Wein in Kressbronn angebaut. Am bayerischen Bodensee kultiviert der Weinbauverein Bayerischer Bodensee Weine in Nonnenhorn, Wasserburg und Lindau. In Bregenz pflanzt das Weingut Möth heute Wein an und wartet zudem mit spannenden Experimenten auf: 2019 wurden zwei Stahlfässer mit je 1000 Litern Wein in der Bregenzer Bucht im Bodensee versenkt. Winzer Josef Möth wollte herausfinden, wie sich der hohe Druck, die Temperatur, die Abgeschiedenheit und weitere Faktoren auf den Wein auswirken. Nach über einem Jahr wurden die Fässer wieder geborgen und konnten in Flaschen abgefüllt als Tiefenrausch ROT und Tiefenrausch WEISS erworben werden. Im Kanton St. Gallen wird heute wie schon vor Jahrhunderten Weinbau in Thal am Bodensee betrieben, und im thurgauischen Teil des Untersees werden auf ca. 28 Hektar Müller-Thurgau, Grauburgunder und Rotwein angebaut.
Die Spitalkellerei Konstanz, die es seit 1225 gibt, keltert ihren Wein mit Reben von der Konstanzer Sonnenhalde sowie der Meersburger Haltnau und der Winzerverein Reichenau stellt seinen Wein heute noch im Keller des ehemaligen Benediktinerklosters her. Das Überlinger Spitalweingut hat die Stadt 2013 an das Weingut Kress verpachtet. Die Weinberge des ehemaligen Klosters Salem gehören dem Weingut Markgraf von Baden, und das Staatsweingut Meersburg betreibt die ehemaligen fürstbischöflichen Weinberge in Meersburg. 52 Winzerfamilien bewirtschaften in dem von Pfarrer Hansjakob gegründeten Hagnauer Winzerverein heute ca. 166 Hektar Rebfläche. Die Grafen von Bodman pflegen bis heute den Königsweingarten, in dem Kaiser Karl III. einst die ersten Burgunderreben auf deutschem Boden pflanzen ließ.
Zum Weiterlesen
- Albert Bärtsch: Rebe und Wein im Thurgau, Frauenfeld 1997.
- Norbert Fromm, Michael Kuthe, Walter Rügert: »…Entflammt vom Feuer der Nächstenliebe«. 775 Jahre Spitalstiftung Konstanz, Konstanz 2000.
- Ulf Hailer: Das Weingut »Markgraf von Baden« in Schloss Salem. 210 Jahre markgräflicher Weinbau am Bodensee in: Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg (Hg.): Neun Jahrhunderte lebendige Tradition. Kloster und Schloss Salem, Berlin, München 2014.
- Ernst Haller: Seewein. Die Geschichte des Weinbaus in und um Friedrichshafen, Friedrichshafen 2005.
- Gunter Schwarz: Reben am See, Konstanz 1995.
Über das Buch
Wunderbare herbstliche Kulturgeschichten könnt ihr in diesem Buch über den Altweibersommer lesen: Über herbstliches Brauchtum, den Herbst in Kunst, Literatur sowie Musik und über Wein und Weinanbau – nicht nur am Bodensee. Da der Herbst auch kulinarisch viel zu bieten hat, kommt auch das Essen im Buch nicht zu kurz und einige leckere Rezepte warten darauf, von euch ausprobiert zu werden.
Fragt ihr euch, woher eigentlich das Wort Altweibersommer kommt und welche Bedeutung es hat? Auch diese Frage wird im Buch geklärt!
Das Taschenbuch kostet 9,84 € und das gebundene Buch 17,95 €. Auch als E-Book erhältlich!
Bestellen könnt ihr es direkt beim Leiermann-Verlag, im Buchhandel und bei Amazon.